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Gastbeitrag:
EpiLeg - ein politisches Gutachten

"Wer
die Wahrheit nicht weiß, ist ein Dummkopf.
Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der
ist ein Verbrecher."
Bertolt
Brecht
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EpiLeg:
politisches Instrument zur Legalisierung von Straftaten
von Trixta
(Veröffentlichung bei
tierdach.de mit freundlicher Genehmigung des Autors)
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Einführung
und Chronik
1987
Hennenhaltungs-Verordung (HHVO)
1999
BVG erklärt dies als verfassungswidrig und nichtig
2001
Zustimmung für Legehennenhaltungs-Entwurf
2003
Skandalstudie EpiLeg dient Niedersachsen zum Kippen des Entwurfs
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Nachdem
das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1999 die im Jahr 1987
erlassene Hennenhaltungsverordnung für verfassungswidrig
und damit für nichtig erklärte, stimmte der Bundesrat
im Jahr 2001 unter dem Eindruck der Agrarskandale um BSE,
MKS und Anitbiotika dem Legehennenhaltungsentwurf von Verbraucherministerin
Künast zu, welcher einen Ausstieg aus der Käfighaltung
für das Jahr 2007 vorsah. Wer damit die Zukunft der Legebatterien
in Deutschland als besiegelt ansah, hat sich zu früh
gefreut.
Unter
Federführung des niedersächsischen Landwirtschaftsministers
Ehlen soll die Käfighaltung in der derzeitigen Form um
weitere Jahre bis Ende 2009 Bestandsschutz genießen.
Danach sollen desweiteren auch weiterhin Käfige in anderer
Form erlaubt sein. Als Argumentationsbasis stützt sich
der niedersächsische Landwirtschaftsminister auf eine
von seinem Ministerium und unter maßgeblicher Beteiligung
der käfigliebenden Geflügelwirtschaft zustandegekommenen
Studie.
Obwohl die Studie noch nicht abgeschlossen ist und das Zwischenergebnis
der Studie genug Anlass zu methodischer und inhaltlicher Kritik gibt (zu
den inhaltlichen Schwächen der Studie) ist es bereits
fraglich, ob die Untersuchung aufgrund ihrer Fragestellung
überhaupt geeignet ist, die Änderung der HHVO aus
dem Jahr 2001 zu rechtfertigen. |
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70er
Gutachten, um Grundmaterial für die Verordnung zu erhalten
Celler
Gutachten Zwei Teile, von denen einer ignoriert wird |
Bereits
nach dem Inkrafttreten des Tierschutzgesetzes (TSchG) in den
70ern wurden vom BMELF Gutachtenaufträge verteilt, um
einer das TSchG konkretisierenden Verordnung das nötige
wissenschaftliche Grundmaterial zu liefern. Der größte
Teil der Gutachter bestand aus Veterinärmedizinern und
Agrarfachleuten (welche ebenfalls zum größten Teil
im wissenschaftlichen Beirat der Geflügelindustrie! organisiert
waren), der kleinere Teil bestand dagegen aus Verhaltensforschern.
Dieser Forscherzirkel sollte nun ein gemeinsames Gutachten
erstellen, welches aufgrund der grundlegend verschiedenen
Ansichten unmöglich war und zu regelrechten Mobbingkampagnen
führte.
Heraus
kam das zweigeteilte Celler Gutachten
-
Der
erste Teil räumte zwar ein, dass Legehennen in der
Käfighaltung nicht verhaltensgerecht untergebracht
seien. Relativierte jedoch diese Tatsache mit der Behauptung,
dass daraus noch nicht mit Sicherheit darauf geschlossen
werden könne, dass die Hennen dauerndem Leiden ausgesetzt
seien. Legebatterien seien nach dieser Ansicht nicht nur
wirtschaftlicher und hygienischer als die alternativen
Haltungsformen, sondern regelrechte Hennenparadiese. Die
Tiere müssen nämlich nicht mehr nach Futter
suchen, da dieses ihnen direkt an den Käfig gebracht
werde und die Tiere schließlich auch im Käfig
besser vor Freßfeinden geschützt seien als
ihre Artgenossen in der Freilandhaltung
-
Der
zweite Teil führte dagegen aus, dass die Tiere in
Käfigen grundsätzlich und systembedingt nicht
verhaltensgerecht untergebracht sind und hierdurch die
Tiere lang anhaltenden Leiden i.S.d. TSchG ausgesetzt
sind
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Gerichte
Legebatterien sind Tierquälerei und erfüllen Straftatbestände |
Dennoch
stockte der Erlass einer Legehennenhaltungs-Verordnung (HHVO).
Wind kam erst in die Sache, als sich die Gerichte mit der
Frage, ob Legebatterien den Straftatbestand der Tierquälerei
erfüllen, beschäftigen mussten. Da
eine konkretisierende Haltungsverordnung fehlte (der Bundeslandwirtschaftsminister
war als Teil der Exekutive lediglich zur Konkretisierung der
gesetzlichen Haltungsvorschriften zum Schutze der Tiere ermächtigt),
mussten die Gerichte das TSchG auslegen und in Bezug auf die
Haltung von Legehennen in Käfigen konkretisieren.
Diese Gerichte setzten sich hierzu intensiv mit verschiedensten
Gutachten auseinander und hörten auch Sachverständige
verschiedener Couleur.
Unter
Berufung auf den eindeutigen Wortlaut des TSchG stellten die
Gerichte fest, dass den Erkenntnissen der Verhaltensforschung
große Bedeutung zukomme. So erklärte beispielsweise
das OLG Frankfurt in seinem Beschluss vom 12.04.79 zu der
„Relativierungsargumentation“ des 1. Teils des
Celler Gutachtens: „Nicht zu entkräften vermag
dieser Sachverständige, dass durch diese Art der Käfighaltung
artgemäße Verhaltensweisen nicht mehr durchgeführt
werden können. Das aber ist entscheidend.“ |
BMELF
HHVO soll Tierausbeuterlobby, nicht die Tiere schützen |
Erst
jetzt erklärte das BMELF, dass es die Käfighaltung
auf dem Verordnungswege legalisieren möchte. Dies entsprach
der Forderung des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft,
welcher es für notwendig hielt, „dass [...] die
Zulässigkeit der heute üblichen Käfighaltung
von Legehennen [...] sichergestellt wird. [...] Nur so kann
verhindert werden, dass aufgrund von Gerichtsurteilen und
Entscheidungen von Verwaltungsbehörden die deutschen
Legehennenhalter in persönliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten
geraten.“
Die
Ankündigung des Ministeriums ist so zu verstehen, dass
man entgegen des Gesetzes die Haltungsvorschriften nicht etwa
zum Schutz der Tiere konkretisiert, sondern zum Schutz der
Legebatterien und seiner Lobby beugt. So wie angekündigt,
geschah es dann auch.
Selbstverständlich
stellte das BMELF seine neue HHVO auf die Grundlage des Celler
Gutachtens, wobei man beharrlich den 2. Teil ausklammerte.
Deutlich gesagt, hat das BMELF das Gesetz bewusst gebrochen,
um die strafrechtliche Verfolgung von Legebatteriebetreibern
unmöglich zu machen. Bei einem derartigen Vorgehen von
Strafvereitelung zu sprechen ist nicht weit hergeholt, sondern
drängt sich geradezu auf. |
Aktuell
Ausstieg aus noch nicht begonnenem Ausstieg |
Nun
möchte der Bundesrat in teilweise neuer Besetzung (aber
eben nur teilweise), nachdem die Skandale um BSE, MKS und
Antibiotika vergessen sind, den Ausstieg aus dem noch gar
nicht begonnen Ausstieg der Käfighaltung und stützt
sich argumentativ auf die EpiLeg-Studie.
Dabei
vermag die Untersuchung nicht im geringsten die Käfighaltung
zu rechtfertigen. Sie sagt nämlich lediglich aus, dass
die Haltung von Legehennen, die eigens für die Käfighaltung
gezüchtet und aufgezogen wurden, in alternativen Massen-Haltungsformen
bei schlechtem Management nicht optimal untergebracht sind.
Eine
derartige Relativierungsargumentation sollte den vernünftig
denkenden Menschen eigentlich per se nicht überzeugen
können. Hinzu kommt jedoch, dass sich eine wissenschaftliche
Studie, welche zur Konkretisierung eines Gesetzes herangezogen
wird, an den Anforderungen des entsprechenden Gesetzes halten
muss. |
Erneuter
Verstoß gegen das Tierschutzgesetz und erneuter
Vorstoß der Ausbeuterlobby |
Zu
der wissenschaftlichen Verteidigung der Käfighaltung führte
das BVerfG aus, dass es sich nicht eindringlich mit den unterschiedlichen
wissenschaftlichen Standpunkten auseinandersetzen musste,
da bereits ein einfacher summarischer Vergleich zwischen Hennenkörpergröße
und Käfiggröße zeige, dass die HHVO nicht
einmal ungestörtes gleichzeitiges Ruhen der Hennen erlaubt
und daher den Anforderungen des TSchG nicht standhält.
Eine
schallende Ohrfeige für Verordnungsgeber und Sachverständige,
die bis dahin versucht haben, die Käfighaltung zu verteidigen.
Ihre Argumente waren aufgrund des schweren und evidenten Gesetzverstoßes
völlig belanglos.
Weiterhin führte das BVerfG aus, dass das TSchG einem
ethisch begründeten Tierschutz diene, für welchen
reine Wirtschaftlichkeitserwägung für die Annahme
eines vernünftigen Grundes zum Quälen von Tieren
eben nicht ausreicht und Anforderungen an eine tierschutzgerechte
Haltung von Tieren auch Erkenntnisse der Verhaltensforschung
mit einbeziehen muss.
Die
als "Argumentationsbasis" dienliche neuere Epileg-Studie klammert
nun jedoch ethologische Erkenntnisse grundsätzlich aus
und bedient sich letztendlich uralter Argumente, die bereits
erfolglos als Rechtfertigung für die alte HHVO herhalten
mussten. |
ad
absurdum Tierquälerei - legalisiert vom Staat,
der dies verhindern will? |
Das
schnelle Vorgehen des Bundesrats mit Hilfe der Epileg-Studie
ist dann doch etwas verwunderlich, wenn man bedenkt, dass
die Studie...
- nicht einmal abgeschlossen ist
- letztendlich alte Argumente wiedergibt, die u.a. nach dem Urteil des höchsten
deutschen Gerichts zur Rechtfertigung der Käfighaltung (jedenfalls
alleine) hierzu gar nicht in der Lage ist
- unter maßgeblicher Beteiligung eines Geflügelwirtschafts-Vereins
zustandegekommen ist, welcher sich anlässlich des Verbots
der Käfighaltung gegründet hat und dessen erklärtes Ziel
es ist, das Verbot der Käfighaltung zurückzudrehen
- erheblicher Kritik sowohl bezüglich der Methode als auch des Inhalts ausgesetzt
ist
- andere Untersuchungen mit ähnlicher Fragestellung jedoch
anderem differenzierten Ergebnis unberücksichtigt lässt
- ethologische Erkenntnisse völlig ausklammert
- obwohl zur Verteidigung der modifizierten Käfige genutzt, sich ausschließlich
mit der normalen heute noch üblichen Käfighaltung beschäftigt,
welche nach Rechtsprechung nicht nur gegen die tierschutzgesetzliche
Haltungsvorschrift verstößt, sondern sogar den objektiven
Straftatbestand der "Tierquälerei" erfüllt und
juristisch nicht gerechtfertigt werden kann
Zumindest
den federführenden Landeslandwirtschaftsministern im
allgemeinem und dem niedersächsischen Landwirtschaftsminister
im besonderen dürfte dies sehr bekannt sein. Wer sich
jedoch zur Änderung einer VO eine derartige Basis im
Bewusstsein ihrer Unzulänglichkeit zu eigen macht, nimmt
billigend in Kauf, die vom TSchG normierte Ermächtigung
und die grundgesetzlich verankerte Bindung ans Gesetz zu überschreiten,
um die millionenfache Tierquälerei i.S.d. Strafrechts
rechtswidrig zu legalisieren. |
Verunglückte
Umstrukturierung "Den Bock zum Gärtner
machen"
siehe
hierzu auch die Zitate von Big Playern |
Unter
Berücksichtigung dieser Umstände muss – trotz
anfänglicher positiver Erfolge beim Umbau des Bundeslandwirtschaftsministeriums
ins Verbraucherministerium – eine alte Forderung des
Tierschutzes wieder laut werden.
Es kann nicht angehen, dass ein und dasselbe Ministerium als
Förder der Massentierhaltung konzipiert, für den
Tierschutz zuständig ist.
Dabei
sind Verantwortliche in den Landwirtschaftministerien heute
wie damals nicht nur Förder der Tierquallobby, sondern
Teil dieser selbst. So ist der niedersächsische Landwirtschaftsminister
Schweinequäler; der Schweinemastbetrieb wird offiziell
vom Sohn des Ministers geführt.
Trixta |
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Weitere
Informationen |
Fotos
und Videos: aufgezeichnete millionenfache
schwerste Tierquälerei im Tierschutz-Medienarchiv
Der
28.11.2003 ist zum Trauertag geworden. An diesem Tag wurde
die Legehennenhaltungsverordnung gekippt, bevor sie in Kraft
trat. Alle Aufklärung und und all die Proteste haben
nichts gebracht: Im Bundesrat wurde gegen die Tiere gestimmt.
Die
Rolle der verschiedenen Beteiligten zu beurteilen, ist teils
sehr offensichtlich, teils sehr verwirrend. Ich habe verschiedene
Institutionen angeschrieben, um etwas Licht ins Dunkel zu
bringen - erfolglos, mir wurde nicht einmal geantwortet, z.B.
-
an
FNL: Aufforderung, Ross und Reiter zu nennen
und nicht dem Verbraucher und der Öffentlichkeit
vorzuspielen, es ginge um "Nachhaltige Förderung
der Landwirtschaft"
-
an
den Bauernverband:
Ausdruck meiner Bestürzung des Sarkasmus, dass ein
Kippen der neuen HHVO ein Sieg für den Tierschutz
und die Artgerechtigkeit sei
-
an
das BMVEL: Freundliche Briefe an die Macher
und Initiatoren der Seite von "Freiheit schmeckt
besser". Kommentar: Das Minsiterium verschweigt die
aktuellen Entwicklungen und gaukelt dem Bürger vor,
sich für Freilandhühner einzusetzen. Auch am
20.12.03 keinerlei Wort über das Hickhack der HHVO
-
an
die Minister I und an
die Minister II: Ohnmächtige Flehbriefe,
die HHVO nicht zu kippen und damit die gesamte Agrarreform
in Frage zu stellen. Immerhin kam eine Antwort aus Baden-Württemberg.
Hier
der erneute Schriftwechsel Und hier zu einer sehr
erfreulichen Zwischenmeldung aus dem Büro
Künast
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